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Teil 1:Der Unfall Teil 2:Der Engel zurück zu Thairis' Geschichten


Sie schlug auf.

Es dauerte eine ganze Weile, in der sie einfach nur dalag. Sie lebte. Ihr tat nichts weh, jedenfalls nicht mehr als vor dem Flug ins Dunkel. Es dauerte, bis ihr klar wurde, daß sie sicher keine 2 Meter gefallen sein konnte, sonst wäre sie verletzt. Sie war verwirrt und hatte ein diffuses Schamgefühl.

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Kriechend tastete sie sich vorwärts, mit den Händen weit voraugestreckt. Sie hatte Angst, einen neuen Abgrund zu finden, diesmal tiefer. Ihre Hand ertastete einen Arm, sie hielt vor Schreck den Atem an.

Der Arm war ruhig und kalt, und sie ertastete weitere Arme und Beine. Hier lagen...... Tote wild durcheinander. Sie vermochte nicht, den wilden Stapel einem Wesen zuzuordnen. Ihre Hände ertasteten etwas weiches, glitschiges. Sie wußte wohl, daß sie in herausgerissene Eingeweide griff, aber sie wollte es nicht wahrhaben. Schnell wie ein Blitz zog sie die Hand zurück und kroch von dem entsetzlichen Haufen zurück. Das Geräusch einer schweren Maschine flog luftgleich durch den Raum, als sei nie etwas geschehen. Wenn dies ein Maschinenraum war, dann war niemand mehr am Leben, diese Maschine zu bedienen, welchem Zweck auch immer sie dienen mochte. Ein Gedanke schoß ihr wie eine Kugel durch das Gehirn.

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Ihr wurde kalt bis ins Mark. Dieser fremde Schrei, das war nicht sie.


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Es war zuviel. In ihr zerriß etwas, das was ihr in den letzten Minuten ( Tagen? Jahren? ) eine Richtung gegeben hatte. Sie saß einfach nur da und begann zu weinen. Die ganze Energie floß aus ihr und sie schluchzte laut dem Dunkel entgegen, ein Heulen aus Wut und Ohnmacht mischte sich darunter. Es tat gut. Es tat gut, sich einfach treiben zu lassen, gestrandet in diesem riesigen Sarg, allein und im Dunkel.

Sie war so absorbiert, daß sie den großen Träger nicht kommen hörte, der sich aus der Deckenverkleidung schwang und sich mit einem unheilvollen Rauschen wie ein bizarrer Raubvogel auf die Draenei stürzte. Sie bemerkte ihn erst als er ihren Schädel traf und zerschmetterte. Das letzte was sie sah, war ein gleißend heller Blitz, der alles beleuchtete, ohne etwas um sie herum preiszugeben.

Dann wurde es Nacht um sie.




Ein namenloser Berg auf der Azurmythosinsel. Seit der riesige Netherkreuzer Exodar an ihm zerschellt ist, umweht ihn ein einsamer dünner Rauch wie ein Trauerflor. Einem Mahnmal gleich ragt der obere Teil aus dem massiven Gneis heraus, nicht länger ein Raumschiff. Und verstörten kleinen Ameisen gleich kriechen Draenei, die diese Katastrophe überlebt haben, aus seinem wunden Bauch hervor, nicht langer ein stolzes Volk. Nachdem sich der erste Schock gelegt hat und die Verwundeten entweder zu den Lebenden oder den Toten gezählt werden konnten, begannen sich diese Überlebenden zu organisieren. Während einige eine notdürftige Versorgung einrichteten, begannen andere, sich in Rettungstrupps organisiert einen Weg in ihr zerstörtes Schiff zu bahnen. Sie brachten viele Eingeschlossene ans Tageslicht, aber je tiefer sie in die zerschmetterten Eingeweide des Schiffes drangen, desto mehr Tote fanden sie. Ab einer gewissen Tiefe fanden sie nur noch Tote oder, schlimmer noch, deren traurige Überreste. Aber auch diesen Unglücklichen mußte die letzte Ehre erwiesen werden, ihnen eine Bestattung in Würde ermöglicht sein. Und so machten sich die Retter ans Werk, einige niedergeschlagen, die weitaus meisten aber schon zu abgestumpft, um niedergeschlagen zu sein. Abseits einer freigelegten Dockbrücke beißt ein Neophyt desinteressiert in einen Apfel, während er in einer Hand einen abgerissenen Arm trägt, nur um diesen mit Schwung auf einen großen Haufen abgerissener Arme zu werfen. Niemand wußte zu sagen, wie diese Teile wieder in einem makabren Puzzle zusammengefügt werden sollten, aber irgendwie mußte man ja vorankommen. Auf einem anderen Haufen lagen Leichen, und der Berg wuchs in dem Maße, wie die Hoffnungen der Retter schwanden.

“Irizar!”

Hmmmm

“Irizar An´Zani, wach auf!”

Laß mich! Ich bin müde und mir ist kalt! Wer bist Du überhaupt?

Müde und mißgelaunt öffnete Irizar die Augen einen umerklichen Spalt weit. Es war immer noch dunkel, aber vor ihren Augen war ein Ding, es hatte einen Kopf, Arme und Beine, aber keine Details und es schien wie leuchtendes Glas oder Kristall. Nein, das Licht schien zu fließen, wie gleißendes Wasser. Sie war zu müde um verwirrt zu sein.

“Das ist nicht so einfach zu beantworten, Irizar.”

Ein Engel vielleicht?

Obwohl sie sich stumpf und taub wie ein kaltes Stück Holz fühlte, hatte sie Lust, ironisch zu klingen.

“Wenn Du so willst, ja. Ich bin ein Engel. Oder alles mögliche andere, was Eure Priester sagen. Ein Teil des Lichts, ein Stück Elune, ein Zeitwächter, ein Naaru, die Elemente. Von allem etwas und doch nichts davon. Eure Priester haben sonderbare Vorstellungen von mir, aber bei komplizierten Dingen ist Raten erlaubt.”

Sie sah in dem gleißenden Wesen keine erkennbaren Züge, aber irgendwie hatte sie das Gefühl, daß das Wesen lächelte.

Bin ich nicht tot? Was willst Du von mir?

“Doch, das bist Du, und deswegen bin ich auch hier. Deine Zeit, kleine Draenei, ist noch nicht abgelaufen. Ich bin hier, um Dich zurückzubringen, so wie viele andere, die noch zum großen Plan gehören. “

Laß mich in Ruhe mit Deinem blöden Plan. Ich will schlafen, ich bin müde und mir ist kalt. Ich habe da nichts mehr verloren.

“Irizar, das geht nicht! Hast Du denn keinen Willen, Deinem Volk durch die Not zu helfen?”

Irizar schüttelte schwerfällig den Kopf.

“Hast Du denn keinen Willen, die Wunder dieser Welt zu sehen, für die Ihr so weit gereist seid?”

Irizar schüttelte abermals den Kopf.

“Das Licht zu sehen?”

Irizar machte langsam eine abweisende Handbewegung.

“Deine Familie wiederzusehen?”

Sie hob den Kopf und öffnete die Augen.

Familie......ich..erinnere mich nicht....aber ich habe eine......aber...

“Pssst...streng Dich nicht so an. Anders als die meisten glauben, geht das im Jenseits nicht alles so weiter, wie bisher, nur paradiesischer. Es ist normal, daß Du Dich nur schwer erinnerst. Das soll Dir helfen, Deine irdischen Bürden abzulegen. Sagt Dir.....Tokiwa etwas?”

Irizar riß die Augen auf. Sie wußte nicht genau wer Tokiwa war, aber sie spürte eine Sehnsucht und Wärme. Eine Sehnsucht, wie jemand sich zum Meer wünscht, daß er nie gesehen hatte. Sie setzte sich auf, sich wundernd auf was sie saßen. Der Engel saß enttäuschend normal vor ihr.

“Kleine Draenei, Du wirst Deine Familie wiedersehen, wenn Du mir folgst. Sei bitte nicht enttäuscht, wenn Du sie nicht alle wiedersiehst, aber vergiß niemals, daß wir alle zu einem großen Plan gehören, auch ich. Ich kann ihn nur erfüllen, nicht ändern. Wirst Du mir dabei helfen?”

Traurig senkte sie den Kopf.

“Wirst Du?”

Sie nickte langsam, als würde sie Jahre dafür brauchen.

Was muß ich tun?

“Dein Körper ist geborgen worden, aber wenn man Dich ordentlich begräbt, ist es zu spät. Du mußt Dich bemerkbar machen, Du mußt etwas sagen. Sie müssen Dich finden und Dich gesund machen.”

Das kann ich nicht.....ich kann nichts sagen, hör doch nur!

Sie öffnete den Mund, aber sie brachte keinen Laut heraus.

“Doch, Du kannst, nur Du allein kannst es. Bitte, streng Dich an, sonst ist alles verloren!”

Nein, ich kann nicht! Es funktioniert nicht. Dein Plan kann nicht funktionieren, Engel! Spiel Dein blödes Spiel mit jemand anderem!

“Doch! Glaube mir, denn ich bin das Licht. Ein Wort ist mehr als den Mund zu öffnen, es muß aus Dir heraus, aus Deiner Seele! Suche das Dunkel und Du findest das Licht!”

NEIN!

“Suche den Satz und Du findest das Wort! Suche einen Namen und Du findest ein Gesicht! Suche mich, und Du findest Dich! Und bist Du es wert, so wirst Du mir folgen. Schrei, Irizar, schrei!”

Nein! Nein! NEEEEIIIIIIIIIN!


.................



Der junge Neophyt kam aufgeregt in das Zelt des Anachoreten heriengestürzt.

“Anachoret, Anachoret!”

“Um des Lichtes Willen, Neophyt, was hat Dich denn so aufgestachelt? Nun schrei doch nicht so rum, die Männer der anderen Schicht werden ihren Schlaf brauchen!”

“Da hat jemand, in dem Haufen, den Leichen, gestöhnt, da mittendrin in dem Haufen, aber die sind tot, und da drin ist doch wer, in dem Haufen Oh Licht.....”

“Ganz ruhig, junger Mann. Du bist ja ganz durcheinander. Ich kann das verstehen, glaub mir. Aber wolltest Du mir etwa sagen, daß Du aus dem Leichenhaufen Stimmen hörst?”

“Ja, Anachoret! Nicht gerade Stimmen, aber einer hat gestöhnt, das hab ich ganz genau gehört!”

“Behalte deine Würde, Neophyt, und rede nicht so einen Unsinn. Von dort kommt niemand mehr zurück, diese Brüder und Schwestern auf dem Haufen haben alle Bürden hinter sich gelassen und wollen in Frieden ruhen. Es wird die entweichende Luft aus den Lungen der Toten sein, was Dich so aufgeschreckt hat.”

“Aber wenn ichs doch gehört habe? Kommt bitte mit, Anachoret, und hört selber!”

Der junge Draenei zog den Älteren am Ärmel nach draußen. Der Ältere wollte den jungen Mann nicht einschüchtern, zu sehr wurden unverletzte Arbeitskräfte gebraucht. Beide gingen zu einem der großen Haufen, zu denen man die Toten aufgeschichtet hatte. In diesen unteren Bereichen der Exodar wurden nur noch Tote geborgen, und es war dringend geboten, diese zu begraben, damit keine Seuchen ausbrachen. Es war ein erschütternder Anblick, aber alle hatten in diesen Tagen soviel erschütterndes gesehen, daß einfach kein Platz mehr für weitere Anteilnahme blieb.

“So, mein Junge....und wo bitteschön soll der lebende Tote sein, der mit Dir sprach?”

Der Neophyt schaute betroffen und verschämt auf den Haufen. Nichts regte sich. Eben war er sich noch so sicher, aber nun schien ihm wieder alles wie ein surrealer Albtraum, den er träumte seitdem er aus den Trümmern gekrochen war.

“Nun?”

Der Anachoret drehte sich zum Gehen um, er versuchte gütig zu lächeln um dem Jüngeren nicht noch zusätzliche Bürden aufzuerlegen. Der Junge macht eine gute Arbeit, dachte er sich, da sollte man nicht zu streng sein.

Plötzlich drang ein leises Stöhnen von hinten an seine Ohren.

“Was.....”

“Anachoret, ich hab es doch gesagt! Schnell, helft mir, dort in der Mitte zu suchen!”

Ohne an Rang und Alter zu denken, eilte er dem Jüngeren zu Hilfe und sie zogen eine junge Draenei mit fürchterlichen Kopfverletzungen aus dem Haufen. Sie wimmerte leise. Ohne Zweifel, sie war noch am Leben, und das trotz des zerschmetterten Schädels. Sie war schlimm zugerichtet und ihr Gesicht vor Blut kaum zu erkennen. Ein Horn war gebrochen, die Schädelknochen waren oberhalb der linken Schläfe erschreckend tief eingedrückt und sie wies zahlreiche kleinere Blessuren auf. Der Anachoret zweifelte, daß sie viel von ihrer Entdeckung haben würde, sie würde ohne Zweifel kaum mehr als ein paar weitere Stunden zu leiden haben. Aber so wollte es offenbar das Licht und beide brachten sie in ein provisorisches Lazarett.

Der alte Anachoret täuschte sich. Dies war der Tag, an dem Irizar An´Zani ein zweites mal geboren wurde, weil sie einen Engel suchte und sich fand. Sie blieb bis auf ihren Geburtsschrei stumm, ihren Schädel hielt von nun an eine Mithrilplatte zusammen und ein passendes Horn mußte angeklebt werden, aber sie lebte, lebte weil der große Plan erfüllt werden mußte.


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