Die Aldor Wiki
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Cyntall Eisflamme Das Gegenwärtige Das Vergangene


Kein schöner Tag

Die kleine Elfe brütete seit Tagen über den Aufgaben, die Magistrix Tel’Beloran vom Arkaneum ihr aufgetragen hatte. Nichts fand Cyntall langweiliger als Runenmagie. Die junge Elfe kaute deprimiert auf ihrem Federkiel herum und zeichnete erneut eine Rune in einen mittlerweile sehr dicken Ordner. „Schluss jetzt!“, warf sie wütend die Feder von sich und stand auf. Sollte die olle Magistrix doch ewig warten. Cyntall hatte keine Lust mehr. Runen zeichnen war öde. Runensprüche waren öde und überhaupt…“öde, öde, öde“, maulte die kleine Elfe. Sie wollte zaubern, Flammen, Wasserwellen oder Wind erschaffen, Eis war auch schick, damit konnte man kleine, hübsche Figuren formen, aber Runen? Da waren ja Vorträge über Weissagung von ihrem Großvater spannender.

„Apropos, Großvater“, nuschelte Cyntall. Sie sollte ihn wieder mal besuchen. Der letzte Besuch war eine Ewigkeit her. Und die Magistrix würde bestimmt verstehen, dass sie die ihr gestellten Aufgaben nicht rechtzeitig erledigen konnte, da sie sich ja um ihren Großvater kümmern musste. Die kleine Elfe lächelte verschmitzt vor sich hin und schnappte sich ihren Umhang.

„Ich bin weg“, rief sie dem Diener zu und rauschte aus der Tür. Im Augenwinkel sah sie noch, dass Avrel zu einer Frage ansetzen wollte, aber dann fiel die schwere Eingangstür auch schon ins Schloss. Auf den Treppen vor dem Haus blieb sie stehen und atmete tief durch. Kurz darauf betrat sie den Stall und holte Piri heraus. „Ausflug, mein Alter“, flüsterte sie dem weißen Schreiter zärtlich zu und tätschelte seinen Hals. Schon als sie ihn bekommen hatte, war der Schreiter alt gewesen, aber nun zeigte er doch etliche Alterserscheinungen. Sein schönes, weißes Federkleid war deutlich lichter geworden und wenn er früher noch kurze Strecken getrabt war, humpelte er nun meinst hinter Cyntall her. Seine Augen wirkten größer als normal, da er rund herum etliche Federn verloren hatte und nun die nackte Haut zu sehen war. „Du siehst immer mehr wie ein gerupftes Huhn aus“, schmunzelte die kleine Elfe und legte ihm das Zaumzeug an. An reiten war schon lange nicht mehr zu denken, so zog sie Piri an einer langen Leine hinter sich her.

Zuerst überquerten Sie den Sonnenhof, was einige Zeit dauerte, da Piri an jedem Wiesenfleck stehenblieb. Er hatte wohl eine andere Auffassung von einem Ausflug als Cyntall, was die kleine Elfe mit schrägem Kopfschütteln quittierte, aber sie ließ dem alten Schreiter seinen Willen. Cyntall steuerte dann auf den Reagenzienladen zu. Beim Gehen hatte sie sich noch die Liste mit den Besorgungen und Wünschen des Magisters geschnappt. Nicht, dass er auf die Idee kam, dass sie nur so durch die Gegend stromerte. „Ich schreibe es auf die Liste des Herrn Magisters“, nickte der Verkäufer und packte eine kleine Tasche für die junge Elfe.

Als sie den Laden verließ, war Piri weg. Cyntall schaute sich um und ihr Herz pochte etwas schneller. „Jemand hat Piri gestohlen“, schrie es in ihrem Kopf. Sie verwarf den Gedanken jedoch. Es standen die herrlichsten Schreiter in der Straße. Wieso sollte jemand Piri stehlen? Außerdem wäre der Dieb bestimmt noch nicht außer Sichtweite, bei dem Tempo, dass der alte Schreiter vorlegte. „Piri! PIRI!“, schrie Cyntall und rannte die Straße entlang. Die Tasche des Reagenzienhändlers schwang wild hin und her und die kleine Elfe hörte Glas zu Bruch gehen. „PIRIIIII! PIRIIIIIIIIIIII!“

Cyntall stürmte über den Platz der Weltenwanderer und registrierte nebenbei, dass es nun aus der Tasche tropfte und eine grünliche Flüssigkeit aus dem Taschenboden an ihrem Kleid heruntertropfte. „Avrel bringt mich um“, dachte die kleine Elfe. „Piriiiii!! Wo zum Donner bist du?“ „Halt!“, baute sich eine Wache vor Cyntall auf. Die kleine Elfe war so in Fahrt, dass sie fast mit dem Elf zusammenstieß. „Keine Zeit“, wedelte Cyntall mit den Händen und wollte vorbeischlüpfen, aber die Wache war unerbittlich. „Ich habe jede Menge Zeit“, hielt sie der Elf am Oberarm fest, was zur Folge hatte, dass die durchweichte Tasche gegen seine Rüstung schlug und diese nun ebenfalls eine grünliche Färbung einnahm. Die Wache sah irritiert an sich herunter. „Was zur Sonne ist das für ein Zeug?“, schnauzte er Cyntall an. „Reagenzien?“, schaute ihn die kleine Elfe provozierend an. „Mein Schreiter ist weg und ich suche ihn“, fügte sie erklärend hinzu, da sich das Gesicht der Wache sekündlich verdunkelte. „Und deshalb schreist du den ganzen Platz zusammen?“, erwiderte die Wache verärgert und wischte an seiner Uniform herum, was das Ganze nicht besser machte. „Wie sucht ihr denn nach einem Tier? Briefeschreiben wird wohl kein Erfolg haben“, antwortete Cyntall recht schnippisch. „Und nun lasst mich augenblicklich los!“ Die kleine Elfe hatte die Erfahrung gemacht, dass man diesen Wachen nur mit fester Stimme und arrogantem Ton entgegentreten musste und sie zogen ab. Jedenfalls war das beim Magister immer der Fall. Hier schien es aber irgendwie nicht zu funktionieren. „Name und Wohnort“, donnerte die Wache nun. „Guter Mann…“, wand sich Cyntall immer noch im Griff der Wache. „Ich habe es eilig. Mein Schreiter ist weg und ich suche ihn. Habt ihr nichts besseres zu tun, als unschuldige Elfen zu belästigen?“

Cyntall hatte es wirklich eilig. Eigentlich sollte sie bei ihren Aufgaben sitzen. Eigentlich sollte sie bereits bei der Magistrix sein und eigentlich wollte sie Reagenzien besorgen. Sie warf einen kurzen Blick auf die durchnässte Tasche. Der Sekretär vom Magister wird mächtig sauer sein, denn die zwei Gold tropften unablässig auf den Boden. „Name und Wohnort“, wiederholte die Wache stoisch. „Adeptin Cyntall Eisflamme“, presste die kleine Elfe wütend heraus. Sie kam vielleicht schneller voran, wenn sie kooperierte. „Wohnort?“, fragte die Wache erneut, ließ die kleine Elfe aber endlich los.

Cyntall überlegte. Die Wache würde einen Bericht schreiben. Sie würde die Reinigung der Rüstung in Rechnung stellen. Der Magister wäre nicht erfreut. „Bei Magister Nufen Blutnebel, an der Stadtmauer“, log die kleine Elfe. Cyntall konnte sehen, dass der Name ihres Großvaters geläufig war. Gut, der Name von Magister Morgentau hätte den gleichen Effekt gehabt, aber sie wollte auf keinen Fall, dass die beschmutzte Wache sie zurück zum Sonnenhof brachte und der Magister gestört wurde.

„Dann gehen wir jetzt mal zu Magister Blutne…“, unterbrach sich die Wache, als lautes Geschrei durch das Tor vom Königlichen Markt herüberschallte. „Was ist denn heute nur los?“, maulte die Wache und zog Cyntall durch das Tor auf den Markt. Wenn die kleine Elfe nicht am Arm eine Wache gehabt hätte, wenn ihr Kleid nicht völlig ruiniert wäre, ganz zu schweigen von der Uniform der Wache, hätte Cyntall wohl gelacht. Laut gelacht.

Piri stand inmitten von zwei Gemüseständen und futterte sich durch die dort aufgebauten Kisten. Die schreienden Händler um sich herum ignorierte er würdevoll. Erst als die Händler mit Stöcken den Schreiter vertreiben wollten, riss sich die kleine Elfe los und stellte sich schützend vor Piri. „Aufhören! Nicht schlagen!“, schrie Cyntall und zog Piri dann mit aller Gewalt von den Ständen. Der alte Schreiter schmatzte genüsslich und Blätter hingen noch aus seinem Schnabel.

„Gehört der dir? Ist das euer Schreiter? Das bezahlst du! Der Schaden wird bezahlt! Wache!“, prasselten die Schreie der wütenden Händler auf Cyntall ein. Die Wache war bereits auch schon inmitten der Menge. „RUHE!“, donnerte die Wache und die Händler beruhigten sich. Die Wache nahm dann in aller Gemütlichkeit die Namen und Schäden auf. Cyntall stand mit Piri etwas abseits. „Sonst läufst du nur im Schneckentempo, aber wenn ich zwei Minuten im Laden bin, bist du weg?“, schimpfte die kleine Elfe mit Piri. „Was denkst du dir eigentlich? Ich werde jede Menge Ärger bekommen.“ Piri schien das nicht wirklich zu tangieren. Er knabberte bereits wieder an einem Busch und zupfte die herrlich weißen Blüten ab. „Hör auf“, zischte Cyntall ihn an, als die Wache sich ihr wieder zuwandte. „Dann gehen wir jetzt mal zu Magister Blutnebel“, forderte die Wache Cyntall auf ihm zu folgen. Ergeben folgte die kleine Elfe. Die Händler warfen ihr immer noch wütende Blicke zu. Als sie sich von der Menge entfernten, streifte ein Goblin ihre Hand und Cyntall spürte Papier zwischen ihren Fingern. Sie wandte sich um, aber der Goblin war bereits schon wieder verschwunden. Die kleine Elfe ließ den Brief in die Robentasche gleiten.

Laut hämmerte die Wache gegen die Haustüre ihres Großvaters, während Cyntall Piri diesmal fest vor dem Haus festband. „Ihr wünscht?“, öffnete Sona und als sie die kleine Elfe erblickte, strahlte sie mehr als sonst. „Cyntall, wie schön, da wird sich der Herr Magister aber freuen, ich werde ihn…“, stockte die heitere Elfe, als sie die verdreckte Robe und den großen Fleck auf der Uniform der Wache sah. „Alles in Ordnung?“, fragte Sona besorgt.

„Diese Elfe wohnt hier?“, fragte die Wache kühl. Cyntall durchbohrte Sona mit bittenden Blicken und hoffte, dass die Dienerin ihres Großvaters verstand. „Und wer will das wissen?“, erwiderte Sona ebenso kühl. „Wie seht ihr überhaupt aus? Weswegen soll ich den Großvater von Miss Eisflamme stören?“ Cyntall hatte Sona nie mehr geliebt. „Großvater?“, fragte die Wache irritiert. Natürlich kannte er den Namen des alten Kampfmagiers. Eigentlich jeder Sin’dorei kannte den Namen des alten Elfen. „Ihr habt nicht erwähnt, dass Magister Blutnebel euer Großvater ist“, wandte sich die Wache an Cyntall. „Guter Mann“, schritt Sona nun resolut ein. „Das Kind ist ganz nass. Was auch immer passiert ist, schreibt einen Bericht und reicht ihn ein. Ich werde den Magister bestimmt nicht wegen so einer Lappalie stören.“ Sie zog Cyntall ins Haus und wandte sich dann der Wache zu. „Noch etwas?“ „Ich…ich schreibe einen Bericht“, nickte die Wache. „Schön, schön“, lächelte Sona und schloss die Tür, bevor die Wache weitere Worte sagen konnte.

„Danke“, lächelte Cyntall. „Kindchen…du gehst jetzt baden und ich versuche die Robe zu retten. Und danach freut sich dein Großvater bestimmt über einen Besuch.“ Mit diesen Worten schubste Sona die kleine Elfe die Treppe hinauf. „Leg die Robe ab, ich lasse Wasser ein.“

Cyntall genoss das Bad. Den Brief hatte sie noch aus der Robe gezogen, bevor sich Sona damit fortgemacht hatte. Sie hatte die Handschrift sofort erkannt. Und nun war ihr auch klar, wer der Goblin gewesen sein musste. „Na, mal schauen, was Vater so berichtet“, murmelte Cyntall und las.

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